Von unserem Vorstandsmitglied Patrick Fey
Auch in diesem Jahr versorgt uns die US-Airbase Spangdahlem erwartungsgemäß in den Sommerferien mit einer Extraportion Kampfjetlärm. Von Lärmreduzierungsmaßnahmen und Arbeitsgruppen ist die Rede aber immer noch nichts zu spüren. Realität ist dies: jeden Tag bei schönstem Sommerwetter und über 30 Grad permanentes Gedröhne von amerikanischen Kriegsmaschinen. Fenster zu ist nicht, nach wenigen Minuten herrscht Sauna. Also weiter Lärm ertragen oder mit Walkman in einem Ohr arbeiten, Gegenschall hilft marginal gegen den Krach draußen. Bei Beschwerdeanrufen bei den Verursachern empfehlen Mitarbeiter im Büro für Öffentlichkeitsarbeit, man soll sich gefälligst um seine Arbeit kümmern und legen dann einfach den Hörer auf. Ich hingegen kann nicht „auflegen“, wenn der Lärm kommt, sondern muss ihn weiter ertragen, bin der Gnade der Verursacher ausgeliefert. Die aber haben keine und lärmen einfach immer weiter, weil sie es dürfen. Der Leiter der Abteilung Flugbetrieb der Bundeswehr, Oberst Hans-Ludwig Rau, zuckt indes zusammen, wenn man im Gespräch mit ihm das Wort „Kriegsflughafen“ für die US-Basen benutzt. „Militärflugplätze“ sind das bitteschön, denn die Benutzung des Wortes „Krieg“ ist in Deutschland immer noch nicht unfallfrei möglich. Verschleierungssprache, denke ich mir dann. Hatten wir in Deutschland schon einmal, vor etwa 70 Jahren. Ich verspreche Herrn Rau, dass ich das bösi-bösi-Wort nicht mehr benutze, wenn ich ihn das nächste Mal anrufe, ich bin ja schließlich ein guter Kerl.
Währenddessen bettelt der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch bei den Amis um die Stationierung weiterer Kampfjets und Drohnen in Spangdahlem. So geschehen gestern, als er bei der Übergabe der Airbase an einen neuen Kommandeur (wieder einmal!) zu Gast war. Wie soll das mit Lärmentlastung zusammengehen? Das vermittelte Bild spricht Bände über die tatsächlichen Prioritäten der Landesregierung RLP. Beck und Bruch sind keineswegs Diener ihres Volkes, sehr wohl aber des US-Militärs.
Warum nochmal müssen wir uns täglich den asozialen Krach anhören? Manchmal weiß man schon gar nicht mehr, warum alles so ist, wie es ist. Für alle, die wie ich so langsam den Überblick verlieren, hier eine kleine Rückschau und ein optimitischer Ausblick.
9/11 und die Folgen
Kanzler Schröders „Nein“ zur deutschen Kriegsteilnahme am Irakkrieg führt beinahe zum Abzug der US-Truppen aus Deutschland. Schließlich aber kommt doch noch die Genehmigung für den kriegslogistischen Flugbetrieb. Wer ist weich geworden? Vor allem: warum? Angst und Profitgier sind mögliche Motive. Man könnte jedenfalls mit dem Kopf auf die Tischplatte hämmern, wenn man sich vor Augen führt, dass wir ums Haar auf einen Schlag eine der lebenswertesten Regionen in Zentraleuropa geworden wären.
Ausbau der US-Basen Ramstein und Spangdahlem
Bis Ende 2005 werden zahlreiche Maßnahmen durchgeführt. Die Rhein-Main-Airbase in Frankfurt wird geschlossen, die Ramstein Airbase wird dafür trotz zehntausender dokumentierter Bürgerproteste umfangreich ausgebaut, um den Flugbetrieb nunmehr dort konzentrieren zu können. Koordinator von Verlegung und Ausbau der Airbase Ramstein ist Gregor Schulte, Mitarbeiter im Innenministerium RLP. Der gleiche Gregor Schulte, der Fluglärmbeschwerden so gerne abwiegelt und Beschwerdeführer darauf hinweist, dass er selbst ja auch ganz schlimmen zivilen Fluglärm ertragen muss, und dass andere Menschen zum Beispiel auch den Lärm von Zügen ertragen müssen. Alles richtig, Herr Schulte. Muss ich mir auch alles anhören, der Militärkrach kommt aber bei mir noch DAZU! Ramstein wird zum Logistikdrehkreuz für die Versorgung der Kriege in Afghanistan und im Irak. Über Ramstein werden Menschen in die Foltergefängnisse Abu-Ghraib und Guantanamo verschleppt. Die Spangdahlem Airbase wird nicht wie geplant geschlossen, sondern wird 2005 ausgebaut und 2007 weiter modernisiert.
Konsequenzen für die deutsche Bevölkerung
Es bleiben drei Staffeln F-16 und eine Staffel A-10 in Spangdahlem stationiert. Diese Maschinen trainieren täglich stundenlang im Luftraum über dem Saarland und Teilen von Rheinland-Pfalz. Der Luftraum über der Eifel, in dem sie früher trainieren konnten, wurde im Zuge des Projektes NEON 2003 geschlossen. Seitdem ist der Übungslärm über der Region Saar-Pfalz wie in einem Lärmghetto konzentriert. Im Einzugsgebiet der Ramstein Airbase kommt der Lärm startender und abfliegender schwerer Transportmaschinen hinzu. Die Anwohner der Airbase Ramstein leiden zusätzlich unter Übungsrunden mit alternden C-130 „Hercules“, auf denen alternde Reservepiloten Übungsmeilen zusammenorgeln, damit sie ihre alternden Pilotenscheine nicht verlieren. Hinzu kommt der Bodenlärm bei Triebwerkstestläufen. Die Amerikaner bauen aber statt einer Lärmschutzhalle lieber ein neues Einkaufszentrum auf der Airbase, damit sie nicht mehr draußen bei der gefährlichen deutschen Bevölkerung einkaufen müssen. Die Geräuschkulisse ist jetzt wie im Krieg. Menschen erkranken an der dauerhaften Lärmbelastung, körperlich und seelisch. Die Bürgerinitiative dokumentiert seit Ende 2005 bis heute über 12.300 Lärmereignisse alleine durch übende Kampfjets. Die Ramstein Airbase verzeichnet pro Tag im Schnitt ca. 120 Flugbewegungen. Es ist noch viel Luft nach oben, man hat sich die Latte selbst sehr hoch gelegt. Die zur Beschwichtigung installierte Lärmschutzkommission sieht zu und findet alles ganz supi.
Ohnmacht und Aktionismus
Die nicht nachlassenden Aktivitäten der Bürgerinitiative und die immer zahlreicher werdenden Proteste aus der Bevölkerung üben Druck auf die Landesregierungen aus. Die saarländische Landesregierung ist hinreichend machtlos, immerhin liegen die Zuständigkeiten auf Bundesebene. Dort aber ist der politische Wille zur Behebung des Problems gleich Null. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz, die den meisten Dreck am Stecken hat, ignoriert das Lärmproblem weitestgehend. Für eine rheinland-pfälzische Richterin etwa sind sechs Schlafunterbrechungen pro Nacht völlig unbedenklich. Die Greiser-Studie zur Auswirkung von nächtlichem Fluglärm wird ignoriert. Dass die Landesregierung Brandenburg sich auf die Seite der Bürger gestellt und das Bombodrom verhindert hat, beeindruckt niemanden. Es scheinen gerade in Rheinland-Pfalz die Konzepte für eine Zukunft ohne US-Militär zu fehlen. Wo kein Wille ist, scheint auch kein Weg zu sein. Die Bundeswehr, die den Flugbetrieb koordiniert – auch den der US-Piloten – versteckt sich hinter ihrem Auftrag. Die armen Piloten müssen doch irgendwo üben. Einziger messbarer Erfolg ist bis heute das Betriebszeitende für Kampfjetübungsflüge um 21.00 Uhr von Mai bis September, ertrotzt von der damaligen saarländischen Innenministerin Annegret Krampp-Karrenbauer. Den Rest des Jahres darf man die Menschen im Lärmreservat Saar-Pfalz weiterhin bis 23.30 Uhr quälen. Das Militär scheint in dem Glauben zu leben, dass im Sommer alle Menschen nach 21.00 Uhr und im Winter gar erst nach 23.30 Uhr schlafen müssen. Das Militär scheint auch in dem Glauben zu leben, dass das Saarland und Rheinland-Pfalz in den Sommerferien leer stehen. Oder dass die Eingeborenen und die Feriengäste nur dann Erholung finden können, wenn die Luft vom Kriegslärm dröhnt. Wie sonst ist es zu erklären, dass gerade in den Ferien immer wieder ganz besonders intensiv geübt wird? Noch mehr Beispiele für die grenzenlose Rücksichtslosigkeit des Militärs: In jedem Jahr wird gerade die Vorweihnachtszeit zur Förderung christlicher Besinnlichkeit immer wieder besonders stark mit Nachtübungen verlärmt. Im Sommer gibt es regelmäßig Lärm ab morgens 8.00 Uhr. Die Mittagsruhe ist in der Regel ebenfalls mit Kampfjetlärm gefüllt. Die Zeit nach 17.00 Uhr, in der viele Menschen in den Feierabend gehen, dito. All dies hat die Bürgerinitiative nahezu lückenlos dokumentiert. Es gibt keine Gnade, kein Entkommen. Seit Ende 2008 soll es eine Arbeitsgruppe zur Reduzierung des militärischen Fluglärms geben, die sich immer wieder selbst für ihre grandiosen Erfolge feiert. Der berühmteste davon ist die Beschränkung von Übungsflügen auf eine Dauer von 20 Minuten über einem bestimmten Gebiet. Dass diese Regelung für Flüge oberhalb 3000 Metern nicht mehr gilt, erfährt man erst im Nebensatz. Nach Militärlogik ist ein Kampfflugzeug ab 3001 Metern nicht mehr laut. Basta. Dass nach 20 Minuten die nächste Maschine für ebenfalls 20 Minuten ins gleiche Gebiet einfliegen darf, erfährt man ebenfalls erst im Kleingedruckten. Alle „Verbesserungen“ tragen den Beigeschmack der Aufweichbarkeit, sind immer wieder an irgendeiner Stelle durch die immer wieder als Ultima Ratio verwendbare „militärische Notwendigkeit“ auszuhebeln. Es ist so, wie es ist, weil es so ist, wie es ist. Die Bürgerinitiative dokumentiert stattdessen mit harten Zahlen, dass Lärmreduzierungen immer dann auftreten, wenn in Spangdahlem eine Staffel im Kriegseinsatz ist, meist im Irak und in Afghanistan. Ansonsten gibt es ständig neue Lärmrekorde, wie etwa im März 2010. Auch das ist mit konkreten Zahlen dokumentiert und anhand von Messungen des Deutschen Fluglärmdienstes belegbar.
Licht am Ende des Tunnels?
Trotzdem gibt es ein paar Indizien, die Grund zur Hoffnung liefern. Die Ramstein Airbase steht auf morastigem Untergrund, die Südbahn säuft unter dem Gewicht der schweren Transportmaschinen immer wieder ab und muss repariert werden. Derweil werden aus Spangdahlem immer mehr Kampfjets dauerhaft abgezogen. Der Kriegsmaschine geht das Geld aus, und die Unterhaltung von Kampfjetstaffeln ausgerechnet in Deutschland ist nach dem kalten Krieg an Sinnlosigkeit kaum zu überbieten. Überall beim US-Militär werden neue Kommandeure installiert. So auch dieser Tage in Spangdahlem, für das eine Weiternutzung als Logistikplattform immer wahrscheinlicher wird, zumal sogar der neue Kommandeur die Vokabel „Umstrukturierung“ benutzt hat. Da kann sich ein Verteidigungs-äääh-Außen-ääääh-Innenminister Bruch noch so sehr wünschen, dass das US-Militär noch ganz lange hierbleibt: Es wird sich mitnichten nach dessen Wünschen sondern einzig und allein nach seinen eigenen Bedürfnissen richten. Zu beobachten sind zur Zeit eine Konzentration vieler US-Einrichtungen auf die Region um Kaiserslautern, und immer wieder hört man dieses Wort: „Umstrukturierung“. Manchmal auch „Afrika“. Sammelt man sich schon zum Abzug? Falls ja: Hat die Landesregierung Rheinland-Pfalz ein Konzept für eine Zukunft ihrer Bürger ohne das US-Militär? Oder hat sie mit dem Kopf die ganze Zeit in die Vergangenheit geblickt und dabei der Zukunft den Allerwertesten gezeigt?
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